Ordentliche Kündigung nach Ablauf der Sperrfrist
wegen mangelnder Eignung infolge Krankheit
von Dr. David Hofstetter
1. Sachverhalt
Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hat mit Urteil vom 20. September 2021 im Verfahren WKL.2019.3 eine für das öffentliche Personalrecht praxisrelevante Rechtsfrage entschieden. Das Urteil wird als Leitentscheid in den AGVE (Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide) veröffentlicht.
Dem vom Verwaltungsgericht zu beurteilenden Sachverhalt lag die Kündigung eines beim Kanton Aargau an einer Mittelschule in einem öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis angestellten Hauswartes zugrunde. Der Angestellte trat seine Stelle am 1. September 2015 mit einem Pensum von 100 % an und war ab dem 24. März 2017 bis zum 9. Mai 2017 infolge einer Operation am rechten Handgelenk zu 100 % krankgeschrieben. Wegen Komplikationen war er ab dem 20. Juni 2017 zu 50 % und ab dem 25. Juni 2017 zu 100 % arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 21. März 2018 kündigte der Kanton Aargau das Anstellungsverhältnis des Hauswartes per 30. Juni 2018.
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wurde seitens des Kantons damit begründet, dass aufgrund der bereits lange anhaltenden und der voraussichtlich noch lange Zeit andauernden Arbeitsunfähigkeit die Eignung zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten nicht mehr gegeben sei.
Gegen die Kündigung setzte sich der Angestellte zur Wehr und beantragte die Feststellung, dass die Kündigung vom 21. März 2018 widerrechtlich erfolgt und ihm für den Fall, dass die Wiederanstellung verweigert werde, eine Entschädigung in Höhe von sechs Monatslöhnen auszurichten sei.
2. Erwägungen des Verwaltungsgerichts
Das Verwaltungsgericht hatte zu prüfen, ob sachlich zureichende Gründe für die Kündigung in Form der mangelnden Eignung nach § 10 Abs. 1 lit. b des kantonalen Gesetzes über die Grundzüge des Personalrechts (PersG) vorliegen. Mangelnde Eignung zur Verrichtung der im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitsleistung ist ein objektiver, nicht vom Angestellten verschuldeter Grund. Der Angestellte ist ungeeignet, wenn er aus objektiven Gründen, die mit seiner Person in Zusammenhang stehen und einen Bezug zur Arbeit haben müssen, nicht oder nur ungenügend in der Lage ist, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten (ungenügende Fach-, Führungs- oder Sozialkompetenz). Dazu gehören insbesondere auch gesundheitliche Probleme.
Das Verhältnismässigkeitsprinzip gebietet jedoch, dass in Krankheitsfällen nur dann von einer mangelnden Eignung oder Tauglichkeit ausgegangen werden darf, wenn dieser Zustand über längere Zeit andauert und eine Besserung innert angemessener Frist nicht absehbar ist. Die mangelnde Eignung, aber auch die mangelnde medizinische Tauglichkeit sind objektive, nicht vom Arbeitnehmer verschuldete Hinderungsgründe, die nicht leichthin angenommen werden dürfen. Der Arbeitgeber muss zudem alle Möglichkeiten einer zumutbaren Weiterbeschäftigung ausschöpfen, bevor er einem Angestellten ohne dessen Verschulden kündigt.
Ebenfalls unter Verhältnismässigkeitsgesichtspunkten zu berücksichtigen ist gemäss Verwaltungsgericht, ob die Arbeitsunfähigkeit sich lediglich auf den konkreten Arbeitsplatz auswirkt (arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit) oder aber auf die Berufstätigkeit an sich. Bei bloss arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit sind geringere Anforderungen an den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber zu stellen, weil der Arbeitnehmer nicht daran gehindert ist, eine andere Stelle zu finden (zum Ganzen: Urteil WKL.2019.3, E. 2.3.2).
Unbestritten war im zu beurteilenden Sachverhalt, dass die anwendbare Sperrfrist von 90 Tagen gemäss § 7 Abs. 1 PersG i.V.m. Art. 336c Abs 1 lit. b OR aufgrund der Krankheit des Arbeitnehmers eingehalten war. Dieser machte aber geltend, dass in Krankheitsfällen nur dann von einer mangelnden Eignung ausgegangen werden dürfe, wenn dieser Zustand über einen längeren Zeitraum andauere, was vor Ablauf von zwei Jahren seit Beginn einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht der Fall sei. Dieser Ansicht erteilt das Verwaltungsgericht eine Absage. Es hält dazu Folgendes fest (E. 2.4.3):
«Soweit der Kläger geltend macht, vor Ablauf von zwei Jahren seit Beginn einer Arbeitsunfähigkeit könne im Normalfall nicht von der Langfristigkeit einer Krankheit mit daraus folgender mangelnder Eignung ausgegangen werden, kann ihm nicht gefolgt werden. (…) Das kantonale Recht definiert – genauso wenig wie das Bundespersonalrecht (…) – nicht, welche bestimmte Krankheitsdauer als angemessene Frist zu betrachten ist. Auch besteht keine entsprechende kantonale Praxis, wonach die mangelnde Eignung erst ab einer mindestens zwei Jahre dauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit angenommen werden dürfte. (…) Namentlich hat auch der öffentliche Arbeitgeber ein legitimes Interesse daran, nicht dauerhaft mit befristeten Ersatz- und Übergangslösungen operieren zu müssen, sondern den Betrieb im Falle eines krankheitsbedingten Ausfalls früher oder später wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Nachdem im kantonalen Recht die vom Kläger propagierte zweijährige ‘Regelfrist’ nicht existiert, ist für die Annahme einer mangelnden Eignung somit einzig entscheidend, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit über längere Zeit andauert und eine Besserung des gesundheitlichen Zustands innert angemessener Frist nicht absehbar ist.»
3. Fazit
Den Erwägungen des Verwaltungsgerichts ist zuzustimmen. Eine fixe Frist für die Annahme einer fehlenden Eignung bei Krankheit bedürfte einer gesetzlichen Grundlage, die mit Blick auf das PersG jedoch nicht existiert. Das Urteil bedeutet jedoch nicht, dass den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber keine Abklärungspflichten in Bezug auf eine mögliche Rückkehr des von der Krankheit betroffenen Arbeitnehmers treffen. Das Verwaltungsgericht hat denn auch im vorliegenden Urteil die Krankengeschichte des Arbeitnehmers ausführlich gewürdigt und ist zum Schluss gelangt, dass mit einer Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht innert angemessener Frist habe gerechnet werden können. Da Krankheits- und Heilungsverläufe per se individuell sind, kann einzig die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Prüfung des Einzelfalls einen Rückschluss auf mangelnde Eignung infolge Krankheit zulassen.
Das Urteil ist zwar in Anwendung von kantonalem Personalrecht ergangen, hat aber auch Auswirkungen auf die kommunale Praxis, weil die kommunalen Personalreglemente in der Regel vergleichbare Kündigungsgründe wie das kantonale Recht vorsehen.