Neue Vollzugshilfe des BAFU

über die Anforderungen an die Publikation von Projekten, die dem Verbandsbeschwerderecht unterliegen

von Alexander Rey

1. Ausgangslage

Beschwerdeberechtigte Umweltschutzorganisationen verlieren ihr Beschwer-derecht, wenn sie sich nicht bereits am Einwendungs- oder Einsprachever-fahren eines Projekts beteiligt haben. Die zuständige Entscheidbehörde muss daher das Projektgesuch im erstinstanzlichen Entscheidverfahren so veröf-fentlichen, dass sich die Organisationen tatsächlich am Verfahren beteiligten können. Die Veröffentlichung erfolgt durch direkte schriftliche Mitteilung oder durch amtliche Publikation. Das BAFU hat im November 2021 eine Vollzugshilfe für erstinstanzliche Entscheidbehörden über die Anforderun-gen an die Publikation herausgegeben. Diese erläutert die rechtlichen An-forderungen an die Publikation und bezieht sich insbesondere auf Bau- und Planungsprojekte von Kantonen und Gemeinden.

2. Grundlagen des Verbandsbeschwerderechts

Im Bereich des Natur- und Heimatschutzes ist ein Projektgesuch zu veröf-fentlichen, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  • Für das Projekt wird eine Verfügung erlassen;
  • das Projekt betrifft die Erfüllung einer Bundesaufgabe im Sinne von Art. 2 NHG;
  • das Projekt hat Auswirkungen auf den Natur- und Heimatschutz.

In der Vollzugshilfe wird erläutert, dass auch Sondernutzungspläne mit Ver-fügungscharakter unter den Verfügungsbegriff fallen. Ferner wird der inzwi-schen weite Begriff der Bundesaufgabe erläutert. Insbesondere ist zu berück-sichtigen, dass auch Neueinzonungen gestützt auf BGE 142 II 509 als Bun-desaufgabe zu qualifizieren sind.

Im Bereich des Umweltschutzes ist ein Projektgesuch zu veröffentlichen, wenn folgende zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  • Für das Projekt wird eine Verfügung erlassen;
  • das Projekt unterliegt der Umweltverträglichkeitsprüfung nach Art. 10a ff. USG.

3. Zeitpunkt der Publikation

Die Publikation darf erst erfolgen, wenn das Projektdossier vollständig ist. Die Entscheidbehörde muss vor der Publikation sicherstellen, dass im Ge-suchsdossier sämtliche Aspekte des Projekts, die für seine rechtliche Beurteilung erforderlich sind, behandelt sind.

4. Publikationsorgan

Das Projektgesuch muss im Bundesblatt oder im kantonalen Publikationsor-gan veröffentlicht werden (Art. 55a Abs. 1 USG und Art. 12b Abs. 1 NHG). Eine Publikation bloss im kommunalen Publikationsorgan genügt nicht.

5. Inhalt der Publikation

Der Inhalt der Publikation ist so auszugestalten, dass die beschwerdeberech-tigten Organisationen erkennen können, ob sie gegen das Projekt beschwer-deberechtigt sind und ob sie im Hinblick auf die Einhaltung des USG bzw. des NHG in das Gesuchsdossier Einblick nehmen sollen. Entsprechend muss die Publikation generelle Informationen zum Projekt, zum anwendbaren materiellen Recht und zum Verfahren enthalten.

6. Regelung der Einsichtnahme

In der Regel können Gesuchsunterlagen auf der Gemeindeverwaltung einge-sehen werden. Die Behörden sind nicht verpflichtet, den beschwerdeberech-tigten Organisationen die Gesuchsunterlagen zuzusenden. Die Dauer der Einsichtnahmemöglichkeit sollte mit der Einsprache- bzw. Einwendungsfrist übereinstimmen. Die Behörde darf das Erstellen von Fotokopien von Ge-suchsunterlagen nicht untersagen, kann jedoch dafür eine angemessene Ge-bühr erheben.

7. Bundesaufgaben, Liste der beschwerdeberechtigten Organisationen und Musterpublikation

Die Vollzugshilfe enthält verdankenswerterweise eine – nicht abschliessende – Aufzählung der Bundesaufgaben nach Art. 2 NHG, welche ein Verbands-beschwerderecht auslösen können. Zudem enthält die Vollzugshilfe eine Liste der im Bund beschwerdeberechtigten Organisationen. Schliesslich wird in einem Anhang ein Muster für eine gesetzeskonforme Publikation präsen-tiert.

8. Fazit

Die Vollzugshilfe des Bundes betreffend Gesuche, die dem Verbandsbe-schwerderecht unterliegen, ist hilfreich. Es ist zu bedenken, dass eine unge-nügende Publikation zur Notwendigkeit der Wiederholung der Publikation führen kann, was mit Verfahrensverzögerungen verbunden ist. Bewilligun-gen, die ohne eine entsprechende vorgängige Publikation erlassen wurden, bleiben rechtlich zudem in einem Schwebezustand, da beschwerdeberechtig-te Organisationen auch nachträglich entsprechende Rechtsmittel einlegen können. Das ist weder im Interesse der Bauherrschaft noch im Interesse der bewilligenden Behörden.